Das hätte wohl niemand gedacht, als im kalten Kriegswinter 1941 ein Mädchen geboren wurde: Dass dieses einmal von Radelfingen im Berner Seeland in die weite Welt ziehen würde, um unzähligen Menschen zu helfen!
Margrit Schneiter wurde am 14. November 1941 als älteste von drei Schwestern geboren. Sie wuchs in der einfachen, arbeitsamen Familie eines bekannten Schuhmachers auf, der noch einen kleinen Bauernhof bewirtschaftete. Schon früh musste Margrit mit anpacken, im Sommer Gras mähen für die Kühe und danach die gemolkene Milch in der Kanne am Rücken zur Käserei bringen. Trotzdem war sie gerne in der Nähe ihres Vaters. Im Winter war es normal, dass die Schüler das kalte Schulzimmer zuerst mit dem Holzofen einheizen mussten. Genau diese Erfahrungen haben sie für ihre spätere anspruchsvolle Krankenarbeit in Bolivien vorbereitet.
Eine herbe Enttäuschung erlebte Margrit als Zehnjährige, als sie während der Aufnahmeprüfung zur Sekundarschule schwer erkrankte und für 8 Wochen im Kinderspital Biel bleiben musste. Danach war die Sekundarschule kein Thema mehr, ebenso wie ihr grosser Wunsch, Krankenschwester zu werden. Wegen ihres angeborenen Herzfehlers wurde sie an der Schwesternschule abgewiesen. Dafür tat sich die berufliche Möglichkeit als Arztgehilfin auf! Mit Bravour schloss sie diese Ausbildung ab.
Schon früh erlebte Margrit in ihrer reformierten Familie den christlichen Glauben, lernte in der Sonntagschule die biblischen Geschichten kennen und bewegte in ihrer Zeit in der Französischen Schweiz Fragen des Glaubens. Dort entschied sie sich, ihr Leben fortan Gott anzuvertrauen.
In vielerlei Hinsicht war Margrit für ihre beiden jüngeren Schwestern oft eine grosse Stütze, wusste praktisch anzupacken und sie nüchtern gut zu beraten. Margrit träumte davon, mit ihrer Schwester Vreni nach Lambarene zu Albert Schweitzer auszuwandern. Statt in Südafrika landete Margrit aber zunächst im Kanton Aargau. Während vieler Jahre arbeitete sie in Lenzburg als tüchtige und beliebte Arztgehilfin in einer aufstrebenden Praxis. In ihrer Freizeit pflegte sie viele Kontakte und Freundschaften, die bis zu ihrem Lebensende anhielten. Die Minoritätsgemeinde in Aarau wurde ihre Heimatkirche, wo ihr Glaube wachsen konnte, wo sie sich vielseitig einsetzte und von der sie ausgesandt wurde.
Dann am 27. Juni 1985 tat sie den grössten Schritt ihres Lebens mit ihrer ersten Ausreise nach Riberalta im Tiefland von Bolivien. Da sie ihren Arbeitsplatz gekündigt hatte, war sie offen für neue Wege. Sie wurde von der Missionarsfamilie Jakob Büchli eingeladen, sie in Riberalta zu unterstützen. Margrit half während vier Monaten im Privathaushalt der wachsenden Familie und lernte so die dortige Missionsstation kennen. Aus diesem Besuch wurden schliesslich fast 20 Jahre Südamerika.
Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz besuchte Margrit eine Kurzbibelschule und half bei zwei Projekten mit. Da kamen zwei weitere Anfragen zur Mithilfe bei Familien in Riberalta, gefolgt von der offiziellen Einladung zur festen Mitarbeit im medizinischen Bereich. So reiste sie mit 46 Jahren, ohne Spanischkenntnisse, Kandidatenzeit und Erfahrung in Tropenmedizin nach Bolivien aus. Ihr Motto: «Nid lugg lah gwinnt», ihr Fleiss und ihr tiefes Gottvertrauen halfen ihr, sich schnell zurecht zu finden.
Mit Mut und Entschlossenheit untersuchte und behandelte sie die kleinen und grossen Patienten verschiedener Ethnien und Sprachen, begleitete sie zu Ärzten, Gesundheitszentren oder ins Krankenhaus, durchwachte Nächte mit ihnen und wälzte Fachbücher, um zu einer guten Therapie zu finden. Ihre Erfahrungen als Arztgehilfin erwiesen sich als ideale Ergänzung zu Anita Gross, der verantwortlichen Krankenschwester. Unzählige Laboruntersuchungen wurden von ihren wachsamen Augen unter dem Mikroskop geprüft. Sie reiste auch in abgelegene Dörfer und besuchte in ihren Ferien Länder in Südamerika und die USA.
«Margarita» wurde vielen Menschen, Einheimischen, Mitarbeitenden, Mitgliedern der örtlichen Kirchgemeinde und dem Personal im regionalen Gesundheitswesen zur Stütze und Freundin. Mit ihrer Begabung, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu sein, unkompliziert Hand anzulegen, mitzuhelfen, zu ermutigen, durchzuhalten, mit zu glauben, hat sie unzählige Menschen bereichert und beschenkt.
Im Jahre 2004 wurde Margrit pensioniert und kehrte in die Schweiz zurück, reiste aber noch einige Male nach Südamerika für befristete Vertretungen oder Besuche. Bis kurz vor ihrem Tod pflegte sie ihre weltweiten Kontakte per Handy, blieb vielseitig interessiert und besuchte ihre Freunde.
In den letzten beiden Jahren nahmen die gesundheitlichen Beschwerden zu, ihr Lebensradius verengte sich und im Januar 2023 wurde der Umzug in ein Altersheim unumgänglich. Dort ging sie am 2. März still von uns. Am 13. März nahm eine grosse Trauergemeinde von Margrit in Radelfingen Abschied.
«Auf Wiedersehen, Margrit und Muchas Gracias!»
Anita Henning-Gross